Der Menschenfeind

(Moliere und H.M. Enzensberger)

Im Drama von Moliere „Der Menschenfeind“ umschrieben von Hans Magnus Enzensberger tritt der „Misanthrop“ Alceste als Protagonist auf. Zunächst erweckt Alceste die Sympathie des Lesers, indem er die Partygesellschaft kritisiert. Im („Dieses Party-Pack…“ (1Akt/s.13); „Und der spontane Gruß zum faulen Trick“ S.12) Zum Beispiel im Gespräch mit seinem Freund Philinte wirft Alceste ihm und der Gesellschaft vor oberflächlich und heuchlerisch zu sein. (1Akt/S.12) Philinte behandelt einen unbekannten Gast überaus freundlich. Dies ist auch der Grund, warum Alceste die Freundschaft kündigt, denn er kann das „heuchlerische“ Verhalten seines Freundes mit seinen Prinzipien nicht vereinbaren. An dieser Stelle erscheint der Protagonist dem Leser als ein Moralist, welcher es sich zur Aufgabe gemacht hat die Oberflächlichkeit der Gesellschaft zu kritisieren.

Des Weiteren fordert Alceste von der Gesellschaft absolute Wahrheit. In einem Gespräch mit Philinte kommen diese Forderungen nach der Ehrlichkeit deutlich hervor. („Dass du ein bisschen mehr Charakter zeigst, und statt dich durchzumogeln, lieber schweigst“. S.12) Im Gegensatz zu Alceste akzeptiert Philinte die Defekte der Menschen. („Der Mensch ist eben schlecht und schwach und roh“; S.17) So wählt er Anpassung statt Isolation. Doch Alceste hält nicht viel von Anpassung. Er ist sehr direkt und hartnäckig, denn längst ist er der gesellschaftlichen Schmeicheleien überdrüssig. Ein klares Beispiel dazu sind die Gespräche von Alceste mit Celimene, Philinte und Oronte.

Bei einem Dialoge mit Celimene drückt er ihr gegenüber offen seine Meinung aus: „ Ich finde dein Verhalten zum Erbrechen!“ (S.35) An dieser Stelle muss man zugeben, dass dazu auch etwas Mut gehört. Schließlich wagt es nicht jeder die Wahrheit offen zu sagen. Philinte ist ein deutliches Beispiel dafür. (S.14) Auch Arsinoe und Celimene sind unfähig zu gestehen, dass sie einander hassen. (S.57-S.59) Daher äußern Sie ihre Gefühle indirekt, unter dem Vorwand einer Scheinfreundschaft. Genau das kritisiert der Autor durch die Hauptfigur Alceste an der Gesellschaft und menschlicher Natur. Zu berücksichtigen ist noch, dass die absolute Wahrheit, welche Alceste von der Gesellschaft verlangt, das Miteinanderleben in einer Gemeinschaft unmöglich macht. So hat Alceste Oronte verraten, was er von ihm und seinen „lächerlichen“ Gedichten hält. Dadurch hat Alceste einen ernsthaften Feind erworben, der mit korrupten Mitteln sich dafür an ihm rächt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass Alceste angeklagt wird. (S.29-S.30; S.50)

Erwähnenswert ist auch, dass Alceste sich oft kompromisslos stellt. Beispielsweise stellt er Philinte Bedingungen: Entweder du änderst dein Verhalten und wirst ehrlicher oder die Freundschaft ist vorbei. (S.11); (S.17) Ebenso droht Alceste Celimene mit dem Bruch, falls sie weiterhin flirtet und Partys feiert. („Der Bruch ist unvermeidlich“ S.35) In dieser Hinsicht denkt Alceste in Extremen. Er ist zu sehr auf seine Prinzipien fixiert. Daraus folgt, dass der Protagonist nur das Negative in den Menschen sieht. („Ihr nennts Gesellschasft, ich nenns Metzgerei…S.90) Dabei übersieht er leider solche aufrichtige Menschen wie Philinte und Eliante. Obwohl Philinte an die Gesellschaft angepasst ist und als Mitläufer erscheint, ist er dennoch ein wahrer Freund. Er versucht Alceste Vernunft beizubringen, ihn von seinen schwachsinnigen Prinzipien abzubringen. (S.17) Philinte lässt seinen Freund nie im Stich. Gegen den Willen von Alceste folgt er ihm in die Polizei und übt Druck auf ihn aus, damit er sich um die Zeugen für die Gerichtsverhandlung kümmert. (S.18) Im Gegenzug erhält Philinte nur grobe Abweisungen von Alceste. Trotzdem hält Philinte zu ihm. Am Ende will er zusammen mit Eliante versuchen Alceste von seinem Wahn, die Liebe von Celimene zu gewinnen, abzubringen. (S.40)

Im Großen und Ganzen verlangt der Protagonist Perfektion von den Menschen. Darüber ist er undiplomatisch und beleidigt Oronto. Dabei könnte Alceste auf eine weichere Art reagieren, denn als Schriftsteller weiß er genau wie sensibel die Autoren sind, wenn es um die Begutachtung ihrer Schriftstücke geht.

Das Paradoxe ist allerdings, dass der Protagonist in die „femme fatale „ Celimene unsterblich verliebt ist. Sie stellt das krasse Gegenteil von ihm dar, da sie die heuchlerische und oberflächliche Gesellschaft repräsentiert. So z.B. lästert Celimene mit anderen über abwesende Freunde und betrügt Alceste bei jeder Gelegenheit. Eigentlich müsste er sie hassen, doch er möchte Celimene verändern. (S.21) Als ihre

Lügen und Affären aufgedeckt werden, ist er der Einzige, der bei ihr bleibt. (5Akt/S.104)Obwohl Celimene ihn abweist, will Alceste nicht aufgeben. („Ich gebe mich noch lange noch geschlagen.“ S.104) Dies deutet erneut auf Hartnäckigkeit hin.An dieser Stelle mag er lächerlich erscheinen. Doch eines steht fest: Alceste übertreibt in seinem Ärger und mit seiner Kritik bezüglich der Gesellschaft. Weil er so prinzipiell und eifrig ist, schafft er sich selbst Probleme. Beispielsweise grollt Alceste ständig, macht Celimene Eifersuchtszenen. Er drückt zu sehr auf sie, will, dass sie genauso wie er die „heuchlerische“ Gesellschaft meidet. (2Akt/S.35-S.37) Aus dem Brief an Oronto erfährt man, was sie über Alceste denkt. In diesem Brief spiegelt sich auch die Meinung der Gesellschaft über Alceste. Celimene nimmt ihn nicht ernst an. Umgekehrt findet sie seinen Zorn über die Gesellschaft ziemlich amüsant. (S.98) Kein Wunder, dass Celimene sich weigert mit Alceste aufs Land zu fliehen. (S.103)

Auch Philinte warnt seinen Freund, dass er zu viel schimpft und die Gesellschaft verurteilt. Dementsprechend halten viele Alceste für einen Narren. (Seite 17) Tatsächlich tritt Alceste als ein Narr auf, weil er absolut keine Kompromisse eingeht und immer das sagt, was er gerade denkt. Aufgrund dieser Haltung verliert Alceste Celimene und hat am Schluss noch eine Gerichtsverhandlung am Hals.

Ferner will Alceste die Verbesserung der Gesellschaft, doch er tut nichts dafür. Im Gegensatz entsteht der Eindruck, dass Alceste dies eher vermeiden will. Aus diesem Grund bleibt er passiv und ignorant. Alceste will sich nicht um die Zeugen für seine Gerichtsverhandlung kümmern, damit er schuldig gesprochen wird und die ganze Welt sieht, dass er Recht in Bezug auf die heuchlerische Gesellschaft hat. (S.19 „Denn sollte ich verlieren, dann wär es klar: die wollen mich ruinieren.“)

Mit einem Worte sucht Alceste nach Bestätigung. Dies ist allerdings nicht nur lächerlich, sondern auch egoistisch. Im Prinzip geht es ihm nur darum, dass er Recht hat. Des Weiteren lehnt Alceste das Angebot von Arsinoe in die Politik einzusteigen ab. Dies bekräftigt nur noch die Tatsache, dass Alceste als „heilig“ erscheinen will. Arsinoe berichtet ihm, dass es Leute gibt, die ihn einflussreich finden und welche ihn unterstützen wollen. Allerdings durchschaut Alceste sie und gibt keinen Preis ihren Schmeicheleien. Schließlich will Arsinoe sich an Celimene rächen und ihr den Mann ausspannen. (S.64-S.65)

Trotzdem hat Alceste in vielem Recht im Bezug auf die Gesellschaft. Der Dialog zwischen Arsinoe und Celimene sowie die Lästereien von Clitandre, Acaste und Celimene beweisen es. Das Problem ist nur, dass Alceste aufgrund seiner einsetigen Prinzipien wahre Freunde wie Philinte und Eliante missachtet. Hinzuzufügen ist noch, dass er nichts unternimmt, um die ihm verhasste Gesellschaft zu verbessern. Dabei ist es in seiner Macht dies zu bewerkstelligen. Arsinoe verrät, dass es einige „Gleichgesinnte“ gibt, die sich gerne von Alceste führen lassen würden. Doch Alceste bleibt lieber untätig, er bleibt lieber Menschenfeind.

Meiner Ansicht nach hat er sich selbst und die Gesellschaft längst aufgegeben. Alceste erscheint lächerlich, da er nicht handelt und nur heiß um den Brei herumredet. Dabei macht er sich selbst sein Privat-und Berufsleben dadurch zunichte. Allerdings muss man anerkennen, dass seine Kritik in vielen Punkten auf die heutige Gesellschaft trifft. Man schaue sich nur die heutigen Promipartys an. Es gibt heutzutage sogar Klatschblätter wie Bild, die ein gelungener Ausdruck einer heuchlerisch-oberflächlichen Gesellschaft sind.

So alles in einem zeigt der Autor, dass die Menschen, die Gesellschaft dieselben geblieben sind, dass Lügen und Lästern immer noch an der Tagesordnung sind. Allerdings gibt er am Beispiel von Alceste zu verstehen, dass Diplomatie und Kompromisse unentbehrlich für das Existieren in einer Gemeinschaft sind. Obschon der Autor Philinte für Anpassung kritisiert, ist Philinte ein guter Freund, welcher im Gegensatz zu anderen sich nicht von Alceste wendet. Er mag zwar oberflächlich und angepasst erscheinen, doch wichtige moralische Werte wie Freundschaft behält er im Blick. Vielleicht ist die Lebensweise von Philinte gar nicht so falsch in unserer Gesellschaft. Letztendlich dreht sich immer noch alles ums Überleben.